Orthopädische Rheumatologie

Was sind rheumatische Erkrankungen?

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Schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates – an Wirbelsäule, Gelenken, Knochen, Muskeln, Sehnen und Bändern – werden umgangssprachlich als Rheuma bezeichnet. Die Ursachen dieser Beschwerden sind sehr vielfältig: Man unterscheidet über 300 voneinander abgrenzbare Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Ursachen und Verläufen. Je nach Art und Lokalisation lassen sie sich medizinisch in 3 Gruppen einteilen:

  • Entzündlich-rheumatische Erkrankungen, deren Ursache in einer Fehlfunktion des Immunsystems liegt. Bei diesen sogenannten Autoimmunkrankheiten wird der Körper angegriffen, obwohl das Abwehrsystem ihn eigentlich vor Infektionen und Krankheiten schützen soll. Die Zerstörung von Zellen führt zu einer Entzündung, die wiederum weitere Gewebe zerstört. Autoimmunerkrankungen sind selten heilbar und begleiten Betroffene meist ein Leben lang. Charakteristisch sind Schmerzen und Schwellungen in meistens mehreren Gelenken (Arthritis), Sehnenscheiden (Tendovaginitis) und Schleimbeuteln (Bursitis). Entzündlich-rheumatische Erkrankungen beschränken sich aber nicht auf den Bewegungsapparat, sondern können nahezu alle Organsysteme wie Lunge, Leber, Nieren, Darm, Gefäße, Nerven und Haut in betreffen. Am häufigsten ist die Rheumatoide Arthritis, die allmählich die Gelenke zerstört, sowie der Morbus Bechterew.
  • Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden, deren Ursache das vermehrte Vorkommen von Stoffwechselprodukten ist, die normalerweise vom Körper abgebaut oder ausgeschieden werden. Diese Krankheiten können genetisch bedingt sein, durch einen falschen Lebenswandel oder aus einer Kombination beider Faktoren hervorgerufen werden. Am bekanntesten ist die Gicht, bei der der Harnsäurespiegel im Blut erhöht ist. Bei der Pseudogicht, medizinisch Chondrokalzinose genannt, lagern sich ebenfalls Kristalle in den Gelenken und im Bindegewebe ab – hier ist es das Pyrophosphat. Beide Krankheiten werden daher als sogenannte Kristallarthropathien zusammengefasst. Weitere Erkrankungen aus dieser Gruppe – wie unter anderem die Ochronose, die Hämochromatose, die Hypophosphatasie – sind weitaus seltener.
  • Degenerative Gelenkerkrankungen aufgrund von Überlastung und Verletzungen, bei denen der im Alter natürlicherweise einsetzende Gelenkverschleiß, auch Arthrose genannt, schon in jungen Lebensjahren auftreten kann. Auch eine genetische Veranlagung zum vorzeitigen Verschleiß des Gelenkknorpels erscheint angesichts familiärer Häufungen von frühen Arthrosen sehr wahrscheinlich.

Rheumatische Erkrankungen können auch lokale Gewebszerstörungen zur Folge haben, zum Beispiel an Kraftüberträgern wie Gelenken und Sehnen. Unbehandelt führen diese Zerstörungsprozesse zu Funktionsverlusten des Bewegungsapparates, in schwereren Fällen zur Invalidität der Betroffenen.

Die orthopädische Rheumatologie

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Die orthopädische Rheumatologie, auch Rheumaorthopädie genannt, beschäftigt sich mit der ganzheitlichen Behandlung der Auswirkungen von rheumatischen Erkrankungen des Bewegungsapparats. Ihr Ziel ist es zuerst, die Funktionen des Bewegungsapparates durch vorbeugende Maßnahmen zu erhalten, die lokal am Ort der Entzündung einsetzen.

Dabei müssen eine Vielzahl von Therapien koordiniert werden: die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Greif- und Gehhilfen, Schienen und speziell angepassten Haushaltsgeräten, die orthopädietechnische Versorgung (Schuhe, Einlagen usw.), die physikalische Therapie, Ernährungsberatungen, medikamentöse und psychologische Behandlungen sowie operative Maßnahmen, die verlorengegangene Gelenkfunktionen wieder herstellen können.

Dank neuer Therapieformen sind Patienten mit rheumatischen Erkrankungen heutzutage seltener von entzündlichen Veränderungen der Gelenke betroffen. Zudem schreiten Zerstörungen von Gewebe an Gelenken deutlich langsamer voran.

Dieser erfreuliche Effekt hat allerdings auch seine Schattenseiten: So werden Gelenk- und Sehnenzerstörungen häufig zu spät erkannt, da sie schmerzarm oder sogar schmerzfrei ablaufen. Dadurch wird der richtige Zeitpunkt für gelenkerhaltende Operationen öfter als früher verpasst. Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen sollten sich daher mindestens einmal jährlich bei einem orthopädischen Rheumatologen vorstellen, sodass Therapien rechtzeitig erfolgen können.

Eine komplette Heilung rheumatischer Erkrankungen ist dennoch (noch) nicht möglich. Die meisten rheumatischen Erkrankungen bedürfen einer langfristigen ärztlichen Überwachung, bei der die Therapie an die Aktivität der Erkrankung angepasst wird.

Um Patienten optimal behandeln zu können, bedarf es eines interdisziplinären Teams aus orthopädischen und internistischen Rheumatologen, die eng mit Psychologen, Sozialmedizinern, Ergo- und Physiotherapeuten, Orthopädietechnikern und Patientenverbänden zusammenarbeiten. Auch der Patient und seine Angehörigen sind Teil dieses Teams und aktiv an der Umsetzung des Therapieplanes beteiligt.

Medikamentöse Therapie

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Die medikamentöse Therapie von entzündlich rheumatischen Erkrankungen erfolgt häufig in Kooperation von orthopädischen Rheumatologen mit internistischen Ärzten, die ebenfalls auf die Behandlung dieses Krankheitsbildes spezialisiert sind, bei Kindern und Jugendlichen in Kooperation mit pädiatrischen Rheumatologen. Sehr häufig werden dabei folgende Hauptgruppen an Medikamenten gleichzeitig eingesetzt:

  • Bei den entzündungshemmenden, schmerzlindernden Medikamenten unterscheidet man kortisonhaltige und kortisonfreie Substanzen (nicht-steroidale Antirheumatika oder NSAR).

    • Kortison ist die wirksamste bekannte entzündungshemmende Substanz. Es wird sowohl als allgemein wirkendes Medikament in Tablettenform eingesetzt als auch örtlich in entzündlich verändertes Gewebe eingespritzt. Bei der lokalen Therapie ist die Konzentration am Ort der Entzündung sehr hoch, die Nebenwirkungen auf den gesamten Körper sind gering. Bei der Zufuhr von Kortison als Tablette oder Infusion wirkt dieses am ganzen Körper, Nebenwirkungen sind stärker zu erwarten.
    • Die NSAR sollten aufgrund der Nebenwirkungen auf die Gefäße und das damit erhöhte Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko sowie auf den Magen-Darm-Trakt und das damit einhergehende Risiko von Blutungen durch Magen- und Dünndarmgeschwüre nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.
    • Die Kombination von Kortison und NSAR erhöht das Risiko von Magen-Darm-Geschwüren sehr stark. Eine solche Kombination sollte daher nur in Ausnahmefällen unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle eingenommen werden.

  • Lang wirksame anti-rheumatische Medikamente werden Basis-Therapeutika oder auch Disease Modifying Antirheumatic Drugs (DMAD) genannt. Diese Medikamente haben zum Ziel, die Menge an Kortison, die zur Eindämmung der Entzündung erforderlich ist, möglichst niedrig zu halten oder sogar ganz entbehrlich zu machen.
  • Die seit der Jahrtausendwende angewendeten Biologika hemmen die Entzündung sehr viel gezielter als konventionelle DMARD. Hier sind eine Vielzahl von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkmechanismen auf dem Markt. Die Fortschritte in der immnunologischen Forschung führen zudem stetig zu neuen Erkenntnissen dazu, wie das Immunsystem funktioniert. Dieses Wissen trägt zur Entwicklung neuer Medikamente bei, die die neu entdeckten Entzündungsmechanismen blockieren. Ziel ist es letztlich, rheumatische Erkrankungen gänzlich zu heilen.

Der orthopädische Rheumatologe kennt die Medikamente: Er weiß, für welchen Zeitraum um eine Operation herum mit der Einnahme pausiert werden sollte, um einerseits das Infektionsrisiko gering zu halten und andererseits einen Rheumaschub zu vermeiden.

Physikalische Therapie

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Die physikalische Therapie umfasst alle Behandlungsformen, die mechanisch auf den Körper einwirken. Man unterscheidet

  • aktive Maßnahmen wie Krankengymnastik oder Ergotherapie, bei denen die Beteiligung der Patienten erforderlich ist, sowie
  • passive Maßnahmen wie beispielsweise die Anwendung von Kälte und Wärme sowie von elektrischen Strömen.

Viele dieser Therapien haben sich über Jahrhunderte entwickelt – man spricht hier von der Erfahrungsmedizin, deren Wirksamkeit im Gegensatz zu den schulmedizinischen Verfahren in Studien häufig nicht nachgewiesen werden konnte. Dies hat unterschiedliche Gründe. Am wichtigsten ist, dass es sich hierbei immer um eine individuelle Therapie handelt und die Anwendung an den Patienten und dessen wechselnden Gesundheitszustand angepasst ist. Es werden also nicht immer die gleichen Übungen durchgeführt und auch nicht immer die gleiche Körperstelle behandelt. Dies macht es unmöglich, die Behandlung unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu untersuchen. Der Erfolg der Therapie ist somit sehr von der Erfahrung und dem Können des Behandelnden abhängig, der den Patienten zwischen den Anwendungen untersuchen muss, um aktuelle Störungen zu erfassen und gezielt zu behandeln.

Die physikalische Therapie umfasst diese Behandlungsformen:

  • Krankengymnastik
  • Ergotherapie
  • Extensionstherapie
  • Sporttherapie
  • Medizinische Trainingstherapie
  • Balneo-, Hydro- und Thalassotherapie
  • Barotherapie
  • Massagen
  • Ultraschalltherapie
  • Elektrotherapie
  • Phototherapie
  • Thermotherapie
  • Radontherapie

Alle Therapieformen sind nur bei spezieller Indikation wirksam und können auch Nebenwirkungen zeigen. Daher sollte die Anwendung nur unter ärztlicher Kontrolle unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes erfolgen.

Operative Therapie

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Bei vielen Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sind trotz der verbesserten medikamentösen Therapie und begleitenden physikalischen Behandlungen operative Maßnahmen erforderlich, um Gelenke zu erhalten, deren Funktionen zu verbessern oder auch, um künstliche Gelenke einzusetzen. Operative Maßnahmen sind dabei stets in die weiteren konservativen Therapienmethoden eingebettet.

Zu den operativen Maßnahmen zählen je nach ihrer Zielsetzung:

  • Vorbeugende Eingriffe, um lokale Zerstörungen zu verhindern: Durch die Entfernung von aggressivem, rheumatisch entzündlich veränderten Gewebes wird ein Fortschreiten der lokalen Zerstörung an Gelenken und Sehnen verhindert. Diese Operationen sind nur in frühen Stadien der Erkrankung möglich.
  • Wiederherstellende Eingriffe: Hier werden die Folgen einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung wieder rückgängig gemacht, beispielsweise durch Eingriffe, die Gelenke und Sehnen wiederherstellen. Das kann unter anderem durch den Ersatz eines Gelenkes durch ein künstliches Gelenk geschehen; die Greiffunktion der Hand kann durch einen Sehnenersatz wiederhergestellt werden.

Um den richtigen Zeitpunkt für eine OP nicht zu verpassen und die Folgeschäden gering zu halten, ist es erforderlich, dass ein orthopädischer Rheumatologe mindestens einmal pro Jahr eine Ganzkörperuntersuchung durchführt, um geringe Veränderungen rechtzeitig erkennen und erforderliche Schritte einleiten zu können. Rheuma-Patienten sollten darauf achten, dass Operationen von einem orthopädischen Rheumatologen indiziert und durchgeführt werden, da er als Generalist die gegenseitigen Einflüsse der betroffenen Gelenke kennt.

Entzündlich rheumatische Erkrankungen werden an vielen Gelenken anders operiert als degenerative Schäden. Der orthopädische Rheumatologe kennt viele Eingriffe, die ausschließlich bei entzündlich rheumatischen Gelenken und Sehnenscheiden durchgeführt werden. Zudem kennt er die speziellen Operationsrisiken, die es zu vermeiden gilt.

Spezialzentren für die operative orthopädische Rheumatologie

Um die Qualität von Eingriffen und die Sicherheit von Patienten auf dem Gebiet der operativen Rheumaorthopädie sicherzustellen, hat die Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) definiert, wie Behandlungspfade strukturiert sein müssen und welche strukturellen und personellen Voraussetzungen Kliniken bei der Behandlung rheumatischer Erkrankungen zu erfüllen haben.

Mit einer entsprechenden Öffnet internen Link im aktuellen FensterAuditierung von Spezialzentren für die operative orthopädische Rheumatologie soll die Behandlung rheumatischer Gelenkerkrankungen weiter verbessert werden.

Kontakt

Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie e.V.  (DGORh)

Straße des 17. Juni 106-108
10623 Berlin
Tel: 030 – 340 603 695
Fax: 030 – 340 603 696
Öffnet ein Fenster zum Versenden der E-Mailinfo@remove-this.dgorh.de

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